Gestern abend war ich bei der Eröffnungsveranstaltung der transmediale und habe euch ein paar Eindrücke mitgebracht.
Großartig fand ich den musiklaischen Act Crowd vs the DJ | Christopher Doering & Jay Cousins. Die Künstler haben zu ihrer Performance auf einer Leinwand eine Art digitales Nagelkissen projeziert. Die Besucher konnten sich auf ein Podest zwischen Band und Leinwand stellen und sich rythmisch zur Musik bewegen. Die Bewegungen formten sich dann in Echtzeit auf dem Nagelkissen aus. So wurde der Besucher zum VJ durch seine Bewegungen und interagierte mit der digitalen Erweiterung des Raums.
Drei Monitore zeigten im Loop die Funktionsweise der Graffiti Analysis / Graffiti Markup Language, ebenfalls ein sehr cooles Projekt, dass außerdem für die Open Web Awards nominiert ist. „Die GML ist eine Software für Graffitikünstler, mit der sie ihre Schreibgesten archivieren, analysieren und weiterverarbeiten können.“
Mein absolutes Highlight war jedoch eine eher klassische Installation von Reynold Reynolds: Labor Berlin #4: „The Secrets Trilogy“. In mehreren Räumen, die wiederum mit mehreren Leinwänden bestückt waren konnte man einen Experimentalfilm sehen. Die Räume waren komplett schwarz und leer. Im ersten Raum angekommen, wobei man selbst entschließen musste, wo denn der Anfang sei, lief ein Film auf einer Leinwand. Entgegen der Sehrichtung lief der gleiche Film, jedoch ein anderer Erzählstrang, auf einer weiteren Leinwand hinter oder seitlich der Betrachter, so dass man seine Blickrichtung jederzeit wählen musste. Nie liefen alle Leinwände gleichzeitig. In den anderen Räumen spielten andere Teile des Films, die alle in formellem und inhaltlich symbolischem Zusammenhang standen, auch durch die Wiederkehr einer bestimmten Frauenfigur. Man musste sich den Film also räumlich wie auch zeitlich selbst organisieren. Die Bilder waren enorm intensiv, ästhetisch hoch anspruchsvoll. Auf der reinen Formebene wurde ebenfalls über Zeit reflektiert, da die Darstellung sehr langsam gefilmt und anschließend zeitgerafft wurde. Diese Sequenzen wurden wiederum mit Slow-Motion-Aufnahmen kombiniert. Daraus ergibt sich ein sehr spezieller Bilderfluss, der, obwohl flüssig, auch immer abgehackt und unterbrochen wirkt. Man kann sich das wie eine Reihung von Einzelbildern vorstellen, ähnlich einem Stop-Motion-Film, bei gleichzeitig ruhigen und sanften Kamerafahrten und -schwenks. Hier verbrachte ich den Großteil des Abends.
Ein sehr schönes und inspirierendes Erlebnis. Anders als im typischen Museumstrott, sind die Installationen allesamt auf Partizipation angewiesen, der Besucher wird Teil des Kunstwerks, beeinflusst und verändert es. Ob beim nicht digitalen Flötenschnitzen aus Karotten oder der persönlichen Emotionsschau am Rechner, die dann von einer Ausdruckstänzerin direkt mitverarbeitet wird, alles dreht sich um Teilnahme, Mitbestimmung, Kollektivität – das Kunstwerk für sich allein hat keinen Bestand. Der digitale Ausdruck eines edlen Gedankens.