Through a Soldier’s Lens – Europe in the Fifties | Bill Perlmutter

Toll das es Verlage wie seltmann+söhne gibt, die Titel wie „Through a Soldier’s Lens – Bill Perlmutter’s Europe in the Fifties“ verlegen.

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Der heute 81-jährige Fotograf Bill Perlmutter war von 1954-1957 als junger US-Soldat in Deutschland und Europa stationiert. Permutters private Aufnahmen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien sind eine fotografische und historische Entdeckung und werden nun 60 Jahre später erstmals in einem Buch gezeigt. Im Dezember 1954 bestieg der damals 22-jährige Fotograf das Truppenschiff nach Deutschland um für amerikanische Armee-Magazine zu arbeiten. Schon auf der rauen Nordsee-Überfahrt entstanden die ersten Aufnahmen mit seiner eigenen Rolleiflex. Zuvor hatte er die USA nie verlassen und war zwar über das, was ihn erwartete, ein wenig besorgt, aber „zur gleichen Zeit freute ich mich auf das zu fotografierende Europa und auf das Besuchen all jener wunderbaren Orte, von denen ich gelesen oder sie in Filmen gesehen hatte. (Bill Perlmutter)

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Der Blick des Fotografen auf das Europa der Nachkriegszeit ist unmittelbar und direkt. Nur mit geringen Vorkenntnissen und mit eher filmisch vermittelten (Vor-)Urteilen startete der junge GI seine fotografischen Reportagen. In auffälliger Weise stehen von Beginn an die Menschen im Mittelpunkt seiner Fotografien. Mit offenem Blick und sichtbarem Interesse für seine Zeitgenossen sieht und erlebt er Europa knapp zehn Jahre nach Kriegsende. Rund sechzig Jahre nach ihrem Entstehen zeigen die Aufnahmen das Gespür des Fotografen für den besonderen Moment. So wird jedes einzelne Motiv ein lebendiges Mosaiksteinchen der Erinnerung, das sehr genau über die damalige Zeit, aber auch über sehr persönliche Begegnungen berichtet. Durch diese intuitive Fähigkeit des Fotografen wirken seine Bilder allerdings über den historischen Moment hinaus, lassen sein Werk bis heute als höchst lebendig und sehenswert erscheinen.

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Der Bildband erscheint am 1.Juni 2013 im Verlag seltmann-söhne
170 Seiten, 25 x 25 cm, Hardcover, Halbleinen, 130 s/w Abbildungen 6 x 6 inch
ISBN: 978-3-943831-70-3, VKF € 39,90
Erhältlich im Buchhandel und auf www.seltmannundsoehne.de

Site of the Week: Civil War 150

Geschichtsuntericht der besondern Art gibts auf history.com. So wurde der amerikanische Bürgerkrieg anlässlich seines 150 Jahrestages grafisch exzellent aufbereitet. Für Freunde historsicher Daten, Zahlen, Fakten und Akteure sowie für Freunde der ansprechenden Infografik einer großartige Fundgrube. Für mich ist diese Seite noch etwas mehr. Ein virtuelles Mahnmal für die Konsequenzen von Kriegen.

Die 4 Enden der Stadt

Der Film Die 4 Enden der Stadt verknüpft die persönliche Biografie Sven Boecks mit dem urbanen Raum der Vorstädte Berlins. Titelgebend orientiert sich die Struktur des filmischen Werks an den vier Himmelsrichtungen, womit zugleich ein weiterer, diesmal sinnhafter Raum einer Reise aufgemacht wird. Das Wandeln im Raum ist hier jedoch nicht physisch zu verstehen, sondern als Gang durch die Geschichte selbst, die Individualgeschichte des Autors, die im weiteren Kontext des historischen Geschehens aufgeht. Boeck, der sich für Buch, Regie und Kamera verantwortlich zeichnet, wirft den Zuschauer in eine dichterische Auseinandersetzung mit der eigenen, erinnerten Vergangenheit (und Gegenwart), die von Zeit zu Zeit ins Lyrische gleitet. Und so verwischen die Grenzen zwischen Dokumentarischem und Prosaischem, zwischen Einzel- und Massenschicksalen, zwischen Leben und Erlebtem.

Die Bilder zeigen Stillleben im Wortsinn – stilles Leben. Und bewegen auf diese Weise umso mehr.

Oft besitzen sie einen dystopischer Nachklang, exponieren eine verlassene Welt, einzig beseelt von der Intensität der Auslassung. Denn der Film ist visuell erfüllt von Menschenleere. Auf tonaler Ebene sind wir dem Leben jedoch nahe, einerseits durch die kongeniale Musik, die den Bildern erst zu ihrer vollen Wirkung verhilft, andererseits durch die begleitende Stimme aus dem Off, die uns behutsam den Führer mimt. Durch diese formalen Aspekte, der visuellen Verweigerung körperlicher Exposition und der gleichsam tonalen Nähe, fühlen wir uns in der Loslösung allem Menschlichen eng verbunden. Auch birgt der Film existenzialistische Anklänge: Wenn in der Ferne die Gestalt eines unerkennbaren Fremden die Szenerie betritt, jene Baumkulisse streift, die vor, während und nach den Grausamkeiten der Diktatur dem Menschenschicksal unbeteiligt gegenüberstand und noch steht, fühlte ich mich an die Supertotalen Kubrick’s erinnert, der ebenfalls den Menschen verloren im Raum der Welt stilisierte. Die Orte selbst sind zwar sehr leise berichtende, doch keineswegs stumme Zeugen der Vergangenheit. Man muss sie nur zu lesen wissen, ihre Sprache verstehen lernen – Symbole dichterischer Vieldeutigkeit.

So setzt Boeck mit seinem Film ein vieldeutiges Zeichen, auch interpretierbar als Verweigerung der hastigen, auf Hochglanzästhetik uniformierten, historischen Blockbuster, die alles auf eine eindeutige Interpretation verengen und diese ist im besten Falle einfach nur hohl, im schlechtesten trügende Propaganda. Die 4 Enden der Stadt hingegen lässt sich Zeit, schenkt dem Zuschauer Leerstellen, um das Gesagte zu reflektieren und unterwirft sich nicht den Regeln der Mainstreamvisualisierung, die ihre Bilder im Staccato aneinanderreiht und in die Hirne tritt.

Er ist nicht anklagend, aber benennend, nicht verzweifelt, aber zweifelnd – und in jeder Hinsicht ein Geschenk!

Die 4 Enden der Stadt – Trailer from KOPPFILM on Vimeo.