Was ist Patreon? Ich habe mir die Plattform für Kreative genauer angeschaut

Patreon erinnert mich stark an MySpace. Erinnert sich noch wer an MySpace? Das war DAS Social Network, bevor Facebook kam. Mittlerweile ist, zumindest bei den unter 20jährigen, Instagram deutlich cooler und beliebter als Facebook. Aber den Abgesang auf Facebook spare ich mir mal an der Stelle. Und MySpace kennt so gut wie niemand mehr (Herrgott, bin ich alt…) Hier soll es um Patreon, gegründet 2013 und mittlerweile mit viel Venture-Kapital ausgestattet, gehen.

Was also genau ist Patreon? Und wie funktioniert es?

Patreon Screenshot

Offiziell ist Patreon eine Crowdfunding-Plattform. Normale Nutzer (wie ich) können sich auf der Seite mit Kreativen verknüpfen und sie mit einem monatlichen Geldbetrag – Start meist bei 1 Dollar – unterstützen.

Für Kreative kann das eine spannende Möglichkeit sein, um auf einigermaßen sichere monatliche Einnahmen zu kommen. Vor allem findet man auf Patreon Musiker und Produzenten von kleinen Videos. Comic-Zeichner, Digital Artists, aber auch Autoren von Krimis und Science Fiction sind zu entdecken. Klingt nach genau der richtigen Plattform für mich.

Folgen oder ein Patron werden?

Es gibt auf Patreon das Follower-Prinzip. Den Künstlern, die ich spannend finde, kann ich folgen. Ohne dafür etwas bezahlen zu müssen. So entsteht wiederum ein individueller Stream, ähnlich Facebook, Instagram & Co. Über welchen Algorithmus dieser eigene Stream befüllt wird, muss ich noch herausfinden. Ist an der Stelle (noch) nicht so wichtig.

Fein. Ich habe einen coolen Stream mit lauter Kreativen, die witzige, spannende, inspirierende Inhalte produzieren. Klingt mega. Könnte auch tatsächlich cool sein. Wenn da nicht der „Haken“ mit dem sogenannten Crowdfunding wäre.

Patron werden auf PatreonDie Kreativen wollen (und sollen) ein paar Dollar verdienen. Dafür gibt es für jeden Nutzer die Möglichkeit, statt dem Künstler einfach nur zu folgen, ein sogenannter Patron zu werden.

Jeder Künstler bietet verschiedene Pakete an, zu unterschiedlichen Monats-Preisen. Für 1 Dollar im Monat bekommst Du dieses und jenes, für 2 Dollar das und für 10 Dollar bekommst Du noch deutlich mehr. Diese Angebots-Pakete kenne ich von vielen anderen Crowdfunding-Plattformen. Eher ungewöhnlich ist das monatliche Abo-Modell. Das macht es für Künstler umso spannender. Weil hier eine Art monatliches Einkommen winkt.

Patron-Modell auf Patreon

Content gegen Geld

Aber genau dieses Abo-Modell lässt mich auch stutzig werden. Ist Crowdfunding hier noch das richtige Wort? Oder nur ein hübsches Mäntelchen, um ein Abo-Modell anders zu titulieren. Wieweit unterscheidet sich denn das Patreon-Modell von Netflix, Sky oder meiner Zeitung? Ich zahle Summe X im Monat und bekomme dafür XYZ. Content gegen Geld. Punkt. Ich persönlich finde die Titulierung „Crowdfunding“ an der Stelle fragwürdig. Aber gern können wir das in den Kommentaren ausdiskutieren.

Gut finde ich jedoch, dass Kreativen, oft noch unbekannten Musikern, Comic-Zeichnern und dergleichen mehr, die Chance eröffnet wird, Menschen in aller Welt nicht nur zu erreichen, sondern auch Geld zu verdienen. Das ist fair und legitim. Und da 90% der Einnahmen wohl direkt beim Künstler landen, verdient hier auch nicht irgendwer mit der Leistung anderer seine Milliönchen. 90% für den Künstler ist eine sehr gute Zahl. Top!

Patreon ist kein Facebook-Clon

Keine Angst. Patreon möchte kein Facebook-Konkurrent sein. Und Patreon ist auch kein Facebook-Clon! Aber Patreon könnte, wenn man es für sich individuell optimal anpasst, deutlich spannender in der täglichen Nutzung sein als es Facebook mittlerweile ist.

Mein Stream, den ich mir gestern eingerichtet habe, ist jedoch noch sehr überschaubar. Das hat zwei Gründe. Zum einen konnte ich auch nach einer 90minütigen Recherche kaum Künstler finden, von denen ich eh schon seit Jahren Fan bin. Ich finde sie auf Patreon (noch?) nicht. Schade.

Wie entsteht ein spannender Patreon-Stream?

Nachdem ich etliche Artists probiert habe über die Suche zu finden, habe ich aus Spaß einfach mal „Sido“ eingegeben. Dann wurde es lustig. Nein – Sido ist (noch?) nicht bei Patreon. Sido mag ich. Berliner Schnauze halt. Wie ich. Mit Ossi-Wurzeln. Wie ich.

die Suche mit Sido auf Patreon

Über die vier Buchstaben stieß ich dann allerdings auf andere Künstler, denen ich auf Patreon folgen kann. Das wurde lustig. Simone Giertz und Tom Siddell folgte ich sogleich. Und siehe da, mein Patreon-Stream belebte sich ein wenig.

Als ich dann aber auf die Patreon-Seite von Simone Giertz klickte, wurde mir schnell klar, wie Patreon funktioniert. Und dass mir offensichtlich ein Großteil der Inhalte entgeht, wenn ich nur ein Follower, aber kein sogenannten (bezahlender) Patron bin.

Content nur als Patron auf Patreon

Viele Inhalte sind den Patrons (oder Patronen?) vorbehalten. Otto-Normal-Follower kann sie nicht sehen. Dafür müsste ich bezahlen… äh… per Crowdfunding zu einem Patron werden.

Nur mit dem Einsatz von Geld wird mein Patreon-Stream auch wirklich zu einem spannenden Ding. Manche nennen es Crowdfunding, ich nenne es Abo. Ist das fairere Wort gegenüber uns Nutzern. Wobei – um das klar zu sagen – ein Abo-Modell nichts Verwerfliches ist! Und ich finde es sympathisch, dass auf diese Weise Geld bei jungen, motivierten, guten, spannenden Künstlern ankommt. Laut Patreon waren es immerhin 150 Millionen Dollar, die 2017 an Künstler ausgeschüttet wurden. Verdient hat Patreon somit in 2017 7,5 Millionen Dollar (5%). Auch nicht schlecht.

Das Finden ist ein großes Problem auf Patreon

Ein zweites, großes Problem kristallisierte sich für mich schnell heraus: das Finden guter Kreativer auf Patreon.

Wenn ich den Namen weiß, kann ich ihn suchen. Wenn ich ihn finde, kann ich folgen. Soweit so gut.

Find Creators auf Patreon

Auch gibt es die Möglichkeit, Patreon mit den eigenen Social-Media-Profilen zu verknüpfen. Wenn man auf „Find Creators“ klickt, versucht Patreon deren Profile auf der Plattform zu finden. Was mir dabei sofort auffiel: Wo zur Hölle ist die Möglichkeit der Instagram-Verknüpfung? Gerade auf Instagram folge ich vielen Künstlern, deren Arbeit ich liebe. Und die ich womöglich sogar finanziell unterstützen würde, wenn das Paket mir zusagt. Das habe ich in der Vergangenheit auf anderen Crowdfunding-Plattformen auch bereits getan.

Keine Instagram-Verknüpfung also. Arghhh. Facebook entpuppte sich hier nur als bedingt hilfreich. Entweder haben die Artists kein Patreon-Profil. Oder Patreons Analyse funktioniert nicht so richtig gut. Ich jedenfalls fand über diesen Weg des „Social Connect“ so gut wie niemanden.

Das war wirklich alles, was Patreon mir nach der Facebook-Verknüpfung anbot. Faszinierend. Und ein wenig enttäuschend.

Facebook-Verknüpfung auf Patreon

Künstler auf Patreon entdecken? Geht nicht.

Dann – so dachte ich mir – gehe ich auf Patreon auf Entdeckungstour. Ich suchte. Und suchte. Und suchte. Wo kann ich coole Künstler entdecken? Das muss doch irgendwie gehen!

Die Suche ist einfach nur eine Suche. Nicht mehr und nicht weniger. Normalerweise würde ich meinen, dass mir Artists vorgeschlagen werden. Nicht so auf Patreon. Keine „ähnlichen Künstler“, nachdem ich vier Leuten gefolgt war. Schade.

Es gibt offensichtlich auch keine Tags oder Kategorien, in denen ich mich dann durch die Artists klicken kann. Auch keine Top-Listen (nach Followern, Alter oder Zahl der Patrons). Ich stand vor lauter Wänden, in denen kein Tor war. Wo sind all die Künstler, denen ich auf Patreon folgen kann? Ich konnte sie einfach nicht finden. Weil mir Patreon keine Möglichkeiten des Entdeckens und Stöberns anbietet. Das machen andere Plattformen – Pinterest, deviantART, Instagram zum Beispiel – deutlich besser.

Patreon lädt nicht zum Entdecken ein

Nach insgesamt drei Stunden gab ich es auf. Vielleicht lag es ja auch an mir (und meiner Unfähigkeit). Wirklich fündig wurde ich auf Patreon bisher nicht, was coole Kreative angeht. Wenn man einen Künstler bereits kennt (zum Beispiel von Instagram) und man weiß, dass er/sie auch auf Patreon ist, dann kann man ihn/sie über die Suche finden und dann folgen. Ansonsten aber: Patreon lädt nicht zum Entdecken ein. Meine Neugier nach neuen Talenten wurde (bisher) nicht befriedigt.

Schade. Ich werde am Ball bleiben. Ich finde Patreon eine überaus spannende Plattform. Vielleicht werde ich ja noch warm mit ihr. Ich werde hier im VisualBlog berichten.

PS: Ist jemand von Euch schon länger auf Patreon und hat andere Erfahrungswerte? Vielleicht sogar ein Kreativer, der auf Patreon Geld verdient? Dan bitte melden. Ich bin neugierig und würde mich gern austauschen.

Veröffentlicht von

Matias

Matias ist der Gründer des VisualBlog. Entstanden 2006 war das VisualBlog die Erweiterung des seinerzeit führenden deutschen Design-Link-Portals namens VisualOrgasm (welches aktuell im Wiederaufbau ist). Zuletzt arbeitete Matias als "Head of Community Management" bei gutefrage. Davor war er jahrelang als Berater und Spezialist für Online-Kommunikation und Online-Communitys unterwegs, u.a. für ProSiebenSAT.1, Galileo, Leo Burnett und den Bayerischen Rundfunk.